„Yogas citta vritti nirodha - Yoga ist das zur Ruhe bringen der Gedanken im Geist”
Yoga Sutra des Patañjali
Yoga ist eines der sechs grundlegenden Systeme des indischen Denkens, die unter dem Begriff darshana zusammengefasst werden, welcher seinen Ursprung in den Veden hat, den ältesten Schriftzeugnissen der indischen Kultur. Darshana heisst einfach ausgedrückt „die Sicht“, „die Schau“ oder auch „eine bestimmte Art des Sehens“. All die grossen Texte, die diese Denksysteme hervorgebracht haben, schaffen eine Möglichkeit, uns selbst besser zu erkennen. Yoga wurde als besonderer darshana erst von Patañjali, einem der grossen indischen Weisen, zu einem klassischen Text systematisiert: dem Yoga Sutra. Patañjali definierter als erster, was Yoga ist. Demnach ist Yoga der Zustand, in dem die Bewegungen und Aktivitäten des Geistes zur Ruhe kommen. Infolge dieser Beruhigung entsteht Klarheit und mittels dieser mentalen Ruhe ist der Mensch in der Lage, sich in seinem Sein zu erfahren. In der Yogapraxis konzentrieren wir uns auf den Körper, den Atem und auf unseren Geist. Ziel des Yoga ist es, die Bewegungen des Körpers, Atems und Geistes zu vereinen und in Einklang zu bringen.
„Nicht erreicht man Vollkommenheit durch das Tragen des Yogagewandes oder durch Gespräche über Yoga sondern nur durch üben”
Hatha Yoga Pradipika
Der moderne Yoga, den wir heute üben, gründet vor allem auf dem Hatha Yoga. Hatha Yoga ist der erste Yoga-Übungsweg, der sich für den Köper interessiert. Alle früheren Wege zielten ausschliesslich auf den Geist, und wenn sie irgendwie auf den Körper eingingen, dann höchstens insofern, als eine aufrechte Körperhaltung gefordert und der Zusammenhang zwischen dem Atem und dem Geist erkannt wurde. Erst ab dem 6. Jahrhundert n. Chr. wurde festgestellt, dass unser Körper jede unserer Erfahrungen, jedes unserer Gefühle und jeden unserer Gedanken eins zu eins widerspiegelt und ausdrückt. So kam die Vorstellung auf, dass unser Körper unser Tempel ist, der mittels der Übungspraxis gereinigt, gepflegt, genährt und gestärkt werden soll. Hatha bedeutet „Sonne (ha) und Mond (tha)“, die symbolisch für die Polaritäten von männlich und weiblich, links und rechts, oben und unten, Tag und Nacht, Aktivität und Ruhe, Geben und Empfangen stehen. Im Hatha Yoga sollen diese Polaritäten harmonisiert werden, damit der Geist still und klar werden kann.
„Sthirasukham asanam - die Yoga-Stellung soll (gleichzeitig) leicht und stabil sein”
Yoga Sutra des Patañjali
Asana bedeutet „Haltung“, „in einer bestimmten Position eingerichtet sein“. Patañjalis Yoga Sutra beschreibt Asana damit, dass es zwei wichtige Qualitäten verkörpert: sukha und sthira. Sukha meint die Fähigkeit, eine Position in Leichtigkeit zu halten, und sthira steht für Festigkeit und Aufmerksamkeit. Beide Qualitäten sollten in einem Asana zugleich und gleichermassen vorhanden sein. Vielleicht werden wir das Asana, wie es uns immer in den Bildern und Zeitschriften gezeigt wird, nie so ausführen können – das ist auch nicht das Ziel. Jeder Körper hat seine eigene Geschichte und Individualität. Angeborene Strukturen, Unfälle und Alter spielen eine Rolle. Entscheidend ist immer die Qualität unseres Übens. Wir finden immer die Leichtigkeit und Mühlelosigkeit in der Anstrengung und Herausforderungen und zwängen uns nie in eine Position hinein. Yoga bedeutet auch Akzeptanz, innere Freiheit, Raum, geistige Flexibilität und Offenheit.
„Einatmend, beruhige ich Körper und Geist. Ausatmend lächle ich, verweilend in diesem Augenblick. Ich weiss, dies ist der einzige Augenblick.”
Thich Nhat Hanh
Ein zentraler Aspekt der Asana-Praxis ist der Atem. Der Atem ist die unsichtbare Brücke zwischen unserem Körper und unserem Geist und verbindet uns immer mit diesem Augenblick. Damit Atem und Körper zusammenfinden können, muss unser Geist diese Koordination von Atem und Bewegung achtsam begleiten. Unser Ein- und Ausatmen ist dabei ein bewusster und kein automatischer Vorgang. Normalerweise sind wir uns unseres Atems nicht bewusst. Damit wir den Inhalt eines Asanas verwirklichen können, müssen der Körper, der Atem und die Bewegungen unseres Geistes miteinander verschmelzen.
Yoga ist ein Erfahrungsweg, das wir in uns erfahren, im Inneren unseres ganzen Seins und es lehrt uns die Kunst, das Leben zu meistern.